Weinzödl: „Raubmord an der Natur”
- Erich Cagran

- 20. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Drei Jahre hatten Andritzer Bürger um die Mur-Allee in Weinzödl gekämpft, vergeblich. Letzte Woche regierte die Axt – es kam zum Kahlschlag. Die Wut der Bürger entlud sich nun in einem Brief an die Stadtregierung: Auf ein fröhliches weiteres Schlägern, Betonieren und Verwüsten …


Bilder sagen bekanntlich mehr als alle Worte, gerade in diesem Fall. Zu sehen vom Autobahn-Zubringer vom
Shopping-Nord zur A9 und dem Gegenhang unter der Ruine Gösting. Die prächtige Allee entlang der Mur-Staustufe oberhalb dem „Verbund“-Kraftwerk Weinzödl ist Geschichte. Ein langer hässlicher Erdwall anstelle der Naherholungs-Idylle – die Menschen in Andritz und Weinzödl sind entsetzt. Von „Raubmord an der Natur“ bis „unfassbare Ignoranz der Politik“ lauten die Stimmen.
Letzteres bezieht sich auf das Unverständnis, dass die Stadtpolitik den Kahlschlag jetzt bejammert und dem Verbund und dessen „Nicht-Entgegenkommen“ die alleinige Schuld zuweist. Klar ist auch, dass das an der Börse notierte, zu 51 Prozent staatliche Milliarden-Unternehmen Verbund kraft eines knapp 50 Jahre alten Wasserrechtsbescheides rigoros zugeschlagen hat. Dessen Argument „die Dämme vor entwurzelten Bäumen zu schützen“ ist vordergründig – durch die Rodung spart man sich die nötige, teure Baumbewirtschaftung.
Die Stadt Graz hat nun aber drei Jahre lang, halbherzig bis alibihaft, (re-)agiert. Oder: am Beispiel der Grünen, sich mutmaßlich konkludent mit dem Verbund verbündet. Denn, so die Bürgermeinung, für jeden Baum, den ein Privater in seinem Garten fällt, bedarf es einer Genehmigung, die von den Grünen penibel auch per Strafandrohung verfolgt wird. Und hier…? In ihrer ersten Reaktion vor rund drei Jahren meinte die zuständige Grüne Vizebürgermeisterin Judith Schwentner Bürgeranfragen gegenüber lapidar, man solle sich an den (damaligen) Landeshauptmann Christopher Drexler wenden.
Die Vorgeschichte ist eine ebenso lange, wie das nunmehrige Ergebnis erschütternd. Als Anfang September 2022 die Information in Weinzödl durchsickerte, dass der Verbund als Grundstückseigentümer des Dammes die dortigen Bäume roden will, war Feuer am Dach. Weinzödl-Aktivistin Christine Hopfer rief in den Grazer Polit-Büros an und organisierte Unterschriftenlisten. Gabriele Seidl und Jürgen Teuschl schrieben Bürgermeisterin Kahr an. Die BIA-BürgerInitiativeAndritz alarmierte Vizebürgermeisterin Judith Schwentner als Naturschutz-Stadträtin sowie den Naturschutzbund und initiierte Medienberichte.
Der von der BIA angerufene Naturschutzbund unter Prof. Johannes Gepp nahm einen Lokalaugenschein vor. Sein – auch in mehreren Schreiben an die Stadtregierung festgehaltener - Befund: Das Vorhaben wäre ein Wahnsinn. Es geht hier um knapp tausend Bäume. Jeder einzelne Stadt-Baum hat einen Wert von rund 12.000 Euro. Vor allem gäbe es auch andere Befestigungsmöglichkeiten für den Damm.
Bürgermeisterin Elke Kahr beruhigte in ihrer unnachahmlichen Art: Sie werde sich beim Eigentümer Verbund bemühen, eine möglichst verträgliche Lösung zu erwirken. Und: „…die Vorgangsweise solle transparent und so naturschonend wie möglich sein“. Es gab den Vorschlag, einer zeitlichen und abschnittsweisen Staffelung der Entnahmearbeiten – betroffen waren größerer Bäume über 15 Zentimeter Stammdurchmesser - sowie eine ersatzweise bzw. neue Pflanzungen etwa von Sträuchern, um den Eindruck und die Wirkung einer „Rodung“ zu vermeiden.
Gabriele Seidl wütend: „Die Vorgangsweise sollte transparent und so naturschonend wie möglich sein. Transparent war jedoch gar nichts, auch nicht die von der Stadt Graz avisierte Kommunikation. Schon gar nicht ein erwartetes Bemühen der zuständigen Grünen Vizebürgermeisterin, die sonst ja um jeden Baum bemüht ist unter ihrem Motto: koste es, was es wolle.”
Brief an Stadtregierung
Am Sonntag schrieben Gabriele Seidl und Jürgen Teuschl in einem „Dankesbrief“ an Elke Kahr und Judith Schwentner: „Das Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht, für jeden engagierten Bürger, der nur einen Hauch von Umweltbewusstsein hat.”
Bereits eine Woche vor den Rodungen (!), hat sich Bürgermeisterin Kahr beeilt, so etwas wie Aktivität zu zeigen. In Ihrem Parteiblatt hat sie vorab wissentlich abgekündigt, dass die Rodung ohne Naturschutzbescheid erfolgen würde, daher die Stadt Graz eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof beantragen würde. Frau Kahr hatte offenbar schon früh Kenntnis von der Rodung – was sie davor unternommen hat, ist unbekannt. Ebenso war bis heute im Bürgermeister-Büro nicht zu erfahren, ob es inzwischen zur angekündigten Revision gekommen ist. Egal, die Bäume sind eh schon gefällt…
Andritz und die Bezirksvorsteherin
Dass Andritz auch einen Bezirksrat hat, blieb bei den Aktivisten in den letzten Jahren praktisch unbemerkt. Bis auf eine Meldung der KPÖ-Bezirksrätin und KPÖ-Klubdirektorin im Landtag, Karin Reimelt. Bei KPÖ-Bürgermeistrin Kahr war Funkstille. Wenn jetzt im Nachhinein Bezirksvorsteherin Doris Kampus (SPÖ) medial kundtat, dass der Verlust dieses wertvollen Naherholungsgebietes ein schmerzlicher Einschnitt für viele Grazer und Andritzer ist, so empfinden das die Weinzödler als Art Affront.
Wie überhaupt in Weinzödl die Stimmung gedämpft ist, bedrohte doch Judith Schwentner im heurigen Frühjahr diesen Bezirksteil mit der Errichtung einer Monster-PV-Anlage. Auch in dieser Frage ist das Vertrauen in Bezirksvorsteherin Kampus enden wollend. So richtete sie den Weinzödlern via Medien aus, sie ist auf ihrer Seite und gegen das Projekt. In der darauffolgenden Bezirksratssitzung stimmte sie jedoch dem Grünen-Antrag auf Fortführung des Projektes zu.

Auf ein fröhliches weiteres…
Also sprechen Seidl und Teuschl in ihrem „Dank“-Schreiben aus, was viele Andritzer meinen, die somit das letzte geschlossene Naturreservate im Norden von Graz verloren haben: Es macht wütend und traurig zugleich, wie wenig die Notwendigkeit Naturräume zu schützen und die Bedürfnisse und Wünsche der Grazer Bürger ernst genommen werden. Als Abschluss der Gruß an Bürgermeisterin Kahr und Umwelt-Stadträtin Schwentner: Auf ein fröhliches weiteres Schlägern, Betonieren und Verwüsten. Und dieses ist bereits sichtbar an den neun Großbau-Projekten unter Schwentners Stadtplanung (Grazerstraße, Prochaskagasse, Bebauungspläne Lindengasse, Pfanghofweg) mit Grünraum-Einschnitten, Versiegelungen und Baum-Fällungen.
Kommentar: Für „g'stopfte" Andritzer hat Kahr kein Verstängnis
Kaum eine Reaktion aus dem Rathaus war je so schnell, wie die Antwort auf den Brief der Weinzödler an Bürgermeisterin Elke Kahr von gestern. Sie kam aber nicht von Frau Kahr. Es blieb Michael Tiefenbacher von der Grünraumabteilung der Stadt Graz (Grünen-Ressort von Judith Schwentner) vorbehalten, heute bereits um 08:45 h unter dem einfühlsamen Betreff: „Baumfällungen im vollen Umfang durchgezogen – Proteste wertlos“ die Textvorlage zur Weiterleitung an die Weinzödler ans Bürgermeisteramt zu schicken: „… es sei Ihnen versichert, dass die Stadt Graz über die letzten zwei Jahre hinweg versucht hat, sämtliche Möglichkeiten zum größtmöglichen Erhalt des Ufergehölz-Streifens (!) auszuschöpfen. Der Verbund war schlicht und einfach nicht daran interessiert…“.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Bürgermeisterin Kahr hat ihren Laden so getrimmt, dass solch lästige Briefe unliebsam-quälender Bürger gar nicht erst an sie herankommen. Auch wenn die Antwort dann als ihre nach außen geht. Hier beginnt die Unverschämtheit. Denn schon der „Betreff“, siehe oben, mit „Protest wertlos“, zeigt die interne Aversion gegenüber Bürgeranliegen. Auch der Versuch, „über die letzten zwei Jahre“ ist verräterisch – die Malaise läuft schon mehr als drei Jahre. Und von einem Ufergehölz-Streifen zu reden, ist angesichts der Bilder von der großartigen Allee ein glatter Affront. Aber das ist eben Kahr-Politik. Menschen, die in Weinzödl oder Andritz leben, haben vielfach ein Eigenheim. Sie sind in der kommunistischen Welt von Elke Kahr die „G`stopften“, die Reichen. Und wer nicht zu Frau Kahr ins Rathaus pilgert um – im übertragenen Sinn – nach Art von Mutter Teresa um Almosen bittet, zählt offenbar automatisch nicht zu ihrer Wählerschaft. Und für diese Wohlsituierten ist das Polit-Modell von Elke Kahr nicht zuständig. Irgendwie menschenverachtend, oder?
Erich Cagran


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