ESC: Inszenierung ist wichtiger als Künstler-Talent
- Erich Cagran
- 16. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Morgen Samstag breitet der Songcontest den Musikteppich über Europa aus. Ein Grazer der selbst schon dabei war, sieht genau zu: Robby Musenbichler – er und einige „Alte Hasen“ blicken für graz.live nach Basel …

Der diesjährige Vertreter Österreichs hat also das Finale geschafft: Johannes Pietsch, der Countertenor der Wiener Staatsoper treibt als JJ musikalisch auf`s Meer hinaus. Sein Song „Wasted Love“ zählt bei den Buchmachern in Basel zu den Favoriten. Und wie sieht dieses Lied der Grazer Komponist, Gitarrist und Produzent Robby Musenbichler? Er, der 1991 als Komponist von „Venedig im Regen“, gesungen von Thomas Forstner, beim Wettsingen in Rom selbst dabei war. Wo Richard Österreicher noch das Live-Orchester dirigierte.
„Die Performance ist außergewöhnlich. Der Titel hat durchaus Chancen, er sticht stimmlich heraus“. Was bei den hohen Tönen dieses Counter-Tenors herausragend wirkt. Und insgesamt gesehen „Es geht in erster Linie um die Inszenierung. Ist diese schwach, hast du schlechte Karten. Diese von JJ scheint doch ziemlich professionell“. Soviel als Vorschau auf morgen. Robby hat aber durchaus auch kritische Bemerkungen zum Song Contest und dessen Entwicklung der letzten Jahre.
Inszenierung und Show sind heute mehr wert als die Komposition und künstlerische Performance. Das Künstler-Talent, der Song und der Text sollen zählen und nicht, wieviel Pyrotechnik und dergleichen daherkommt. „Ich würde mir auch wünschen, dass die Musiker und Künstler ihre Titel selbst schreiben. Heute ist es ja so, dass es zum Beispiel in Schweden eine ganze Schreiber-„Industrie“ gibt, die die Songs für viele der teilnehmenden Länder schreiben“. Auch die Entwicklung des Votings sieht Musenbichler fragwürdig – ohne jedoch näher drauf einzugehen. „Ich will niemand schaden…“
Alle Musik kommt aus der Konserve
Waren es früher nette Lieder, Schlager, Chansons, so dominiert heute Pop. Ja, und es darf auch sozialkritisch sein. „Es muss nicht alles Shakespeare sein…“ Was dem Liedermacher fehlt, sind die Teilnehmer-Vorentscheidungen im Land. Einst füllte der ORF damit ganze Hauptabend-Sendungen. Da konnten sich junge Künstler präsentieren. Heute wird im stillen Kämmerlein am Küniglberg über die Teilnahme entschieden. Ich habe es in den 80er-Jahren gerne erlebt, wo noch zusammengespielt wurde, mit Blickkontakt. Heute ist alles digital. Beim ESC kommt die ganze Musik aus der Konserve, live ist nur noch der Gesang.

Robby Musenbichler, der 20 Jahre lang als Bandleader von Rainhard Fendrich bekannt war und heute noch mit der von ihm gegründeten Rock-Band Tokyo große Konzertsäle füllt, weiß wovon er spricht. Mit Tokyo spielte er weltweit auf gemeinsamen Bühnen mit Jennifer Rush, Bonney M., ZZ Top, Status Quo, Roger Chapman und anderen mehr. Seine Alben, das letzte 2023 „Seven“ standen allesamt in ganz Europa in den Pop-Charts. So vermisst er beim ESC ein wenig den Rock`n`Roll, dem nur der Armenier Parg im Halbfinale würdigte.
Robby Musenbichler: Österreich ist kein „Rock“-Land
Und, leider: Österreich ist kein „Rock“-Land, wie Robby beteuert. „Weil der Rock`n`Roll hier keine Plattform hat. Weil Ö3 und die Medien nie wirklich eingestiegen sind“. Doch gerade Rock’n*Roll ist Basis auch für andere große Künstler im Lande. Wie der mit dem Streifen „CopyShop“ in Hollywood Oscar-nominierte Schauspieler Johannes Silberschneider. Ihn findet man im österreichischen Rock-Archiv als Johnny Silver. Als solcher wollte er eine Musiker-Karriere starten. Aber, siehe vorhin: es gibt hier keine Plattform. Ergo wurde er Schauspieler.
Als Johnny Silver kann man den „Hannes“ auch heute noch öfters auf Konzertbühnen rocken sehen. Er gesteht auch, dass die Rock-Musik sein bester Unterricht dafür war, dass er heute ein perfektes Englisch spricht. Was aber sagt er zum aktuellen Song-Contest? “Der wird heuer spannend, da Österreich ja zweifach vertreten ist. Mit dem Wiener Opernsänger und einen Wiener Duo, das bekanntlich für Deutschland antritt. Der Countertenor ist ein starkes Signal für die Kunst in Österreich. Schau ma mal, ob`s funktioniert…“.

Kurt Gober: „Jede Musik hat ihre Berechtigung“
Silberschneiders permanenter Bühnenpartner bei Lesungen und dergleichen ist Alt-Rocker Kurt Gober mit der Gruppe „Stuben Tschäss“. Gober, der einstige Hitparaden-Stürmer mit „Motorboot“, der sogar auch schon in Liverpool spielte und späterer Vize-Chef des Johann-Joseph-Fux-Konservatorium, sieht den Contest gelassen. „Jede Musik hat ihre Berechtigung, auch wenn`s nicht unbedingt meine Stilrichtung ist. Man kann aber sagen, was man will: Wir alle sind mit dem Rock`n`Roll groß geworden. Ein Elvis Presley, der eigentlich schon die Weiterentwicklung dieser Stilrichtung prägte, die im Ursprung von Chuck Berry aus der Taufe gehoben wurde, bleibt auf ewig dessen Leitfigur“.
Auch ein Ewald Pfleger, der mit „Live is life“ und Opus einen Welthit geliefert hat, schlägt in diese Kerbe. Er sagt, der Rock’n’Roll stirbt niemals aus, wünscht sich aber für den ESC ein würdiges Ergebnis. Auch wenn ein Rock’n’Roll-Aus angesichts des morgigen Song-Contests zu befürchten scheint. Wie sagt Robby Musenbichler zusammenfassend auch für die zuvor genannten Kollegen: „Rock’n’Roll ist ein Lebensgefühl“ Und, Beispiel Tokyo: „Es gibt genug Österreicher, die damit ihr Glück wo anders gesucht – und gefunden - haben“.
Erich Cagran
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