BORG-Vater: „Ihr Tod soll nicht umsonst gewesen sein!”
- Karl-Heinz Leiss
- 6. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen
„Die Opfer vom 10. Juni können wir nicht zurückbringen. Aber wir können dafür sorgen, dass ihr Tod nicht umsonst war. Dass endlich gehandelt wird. Dass unsere Kinder die Hilfe bekommen, die sie brauchen.” Mit diesem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit wirbt Dominik Egger, Vater einer Schülerin am BORG Dreierschützengasse, nicht nur um Unterstützung einer Petition an die Politik, sondern auch für die Teilnahme an einem „Sternmarsch”, der im August aus ganz Österreich nach Wien stattfinden wird.

„Wäre meine Tochter nicht noch krank zu Hause gewesen an diesem schrecklichen Tag, sie wäre wohl in der Aula gewesen, wo zwei Mädchen ermordet wurden" , erzählt Dominik Egger im Gespräch mit graz.live. Darin begründet er auch, warum er – wie auch mehr als 100 andere Eltern von Schülerinnen und Schülern des BORG, die sich in einem Brief an die Öffentlichkeit gewandt haben – mit dem bisher von Politik, Schuldirektorin und Bildungsdirektion eingeschlagenen Weg und vorgeschlagenen und umgesetzten Maßnahmen zur Aufarbeitung der Tragödie unzufrieden ist. „Diese Maßnahmen, wie die psychologische Betreuung der Schülerinnen und Schüler, sind zwar zu begrüßen und mehr als notwendig, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sie zielen in erster Linie darauf ab, möglichst schnell den Betrieb an der Schule wieder wie gewohnt aufzunehmen.”
So habe viel zu früh bereits ein Lokalaugenschein mit der Direktorin, Vertretern der Bildungsdirektion, der Bundesgbäudeverwaltung und Baufirmen stattgefunden, bei dem es um die Sanierung des Gebäudes, einschließlich einer Gedenkstätte gegangen sei. Von einem großen Umbau, wie er an anderen Tatorten eines School-Shootings weltweit stattgefunden hat, „keine Rede”.
„Eltern sollen entscheiden!”
Wenig hält Egger im Gespräch von der, vor allem von der Schuldirektorin und der Bildungsdirektion mehrfach kommunizierten Idee, „die Schülerinnen und Schüler sollen entscheiden, wie es weiter geht”. Egger verweist dabei auch auf Michaela Halper vom österreichischen Traumapädagogikzentrum, die betont: „Die Kinder sind noch nicht so weit, um an Normalität zu denken. Die Schülerinnen und Schüler sind derzeit noch in einem freeze-Zustand – heißt: das Kleinhirn hat sich vom Großhirn getrennt – das Ereignis wird noch nicht mit der Emotion verknüpft.”
Ausserdem, so Egger (der übrigens kein Foto von sich veröffentlicht haben möchte, da es ja „nicht um mich, sondern um die Kinder geht”) seien die Eltern – bei entsprechender Unterstützung durch Psychologen – jene, die besser wüssten, was ihren Kindern zumutbar sei, während das Schulsystem ja mehrfach das Gegenteil bewiesen habe.
Ähnlich sehen das auch andere Eltern von Schülerinnen und Schülern des BORG Dreierschützengasse, die auch einen späteren Schulbeginn im Herbst verlangen. Und die einen Offenen Brief an die verantwortlichen Politiker verfasst haben:
Und ein Vater einer BORG-Schülerin, Markus Bergmoser-Zizek, schreibt: „Wir fordern keine Sonderbehandlung, sondern angemessene, traumasensible Maßnahmen für eine Ausnahmesituation, die unser Bildungssystem so noch nie erlebt hat. Dazu gehören u.a.: psychologische und traumapädagogische Begleitung vor Ort, flexible Leistungsanforderungen und -feststellungen für betroffene Schüler:innen, ein transparenter, partizipativer Prozess zur Wiedereröffnung der Schule, und eine klare Haltung: Sicherheit und seelische Gesundheit vor Routine.”
Petition und Sternmarsch
Die von Dominik Egger gestartete Petition (graz.live berichtete) hat inzwischen mehr als 44.000 Unterstützer. Sie wendet sich an die Bundesregierung und fordert konkret:
• Seelische Bildung als Pflichtfach – damit Kinder lernen, mit Krisen, Konflikten und Gefühlen gesund umzugehen. • Psychologische Strukturen an jeder Schule – niederschwellig, dauerhaft, präventiv. • Klare Regeln für digitale Plattformen – vergleichbar mit Alkohol und Tabak. • Wert statt nur Leistung in der Bildung – kein Kind darf sich „aussortiert“ fühlen.
Egger will Schule neu denken und fordert niederschwellige psychologische Angebote für alle, auch für Schulabgänger. Und mehr „seelische Bildung“, also das gemeinsame Lernen, mit Gefühlen und Belastungen umzugehen: „In der Schule, im Alltag – die Anforderungen für die Kinder sind so weit gestiegen, dass die schon weit über ihre Grenzen gehen. Und dann vereinsamen sie, dann wird der Schmerz immer größer. Leid wird es immer geben. Leid wird existieren, aber mit ihnen zu lernen, wie man damit umgeht, hätte vielleicht mitgeholfen zu verhindern, dass so etwas passiert.“
Ziel ist es, eine Million Unterstützerinnen und Unterstützer zu sammeln, um den Druck auf die politisch Verantwortlichen zu erhöhen. Damit aber nicht genug. Für 24. August ist ein Sternmarsch aus ganz Österreich nach Wien geplant. Dort soll am 3. September vor dem Parlament daran erinnert werden dass das Wort von Bundeskanzler Christian Stocker nach dem Amoklauf „Alles zum unternehmen dass so etwas nie wieder passiert” auch eingelöst wird. Egger: „Alles heißt Alles, lasst es uns gemeinsam einfordern. Wir können zwischen zwei Wegen wählen: unserem oder den, den andere für uns wählen werden.”
Weitere Informationen zur Petition und zum Sternmarsch gibt es unter
KHL
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