Bildungsnetzwerk für mehr Menschenrechte
- Redaktion

- 7. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Empathie und Toleranz nehmen ab, Aggression und Egoismus nehmen zu. Die Welt wird komplexer, Diskussion und Diskurs werden schwieriger. Das orteten Expertinnen aus den Fachbereichen Antidiskriminierung, Gleichbehandlung, Gleichstellung und Menschenrechte beim „Tag der Weiterbildung“ des Bildungsnetzwerks Steiermark. In den steirischen Erwachsenenbildungseinrichtungen werden bereits verstärkt Angebote zu diesen Themenfeldern angeboten.
Wie steht es um die Menschenrechte in der Steiermark? Welche Entwicklungen und Erfahrungen gibt es rund um Antidiskriminierung, Gleichstellung und Gleichbehandlung und welche Rolle nimmt die Erwachsenenbildung in diesem Themenfeld ein? Speziell angesichts einer zunehmend komplexen Welt, in der Dialog und Diskurs immer schwieriger scheinen, in der Toleranz und Empathie sinken und der Egoismus wächst. Darüber diskutierten auf Einladung des Bildungsnetzwerks Steiermark ExpertInnen dieser Fachbereiche mit VertreterInnen aus der Erwachsenenbildung im Bildungshaus Schloss St. Martin.
Landeshauptmann-Stellvertreterin Manuela Khom, in deren Zuständigkeitsbereich die Erwachsenenbildung fällt, hielt gleich zu Beginn fest: „Die Menschenrechte sind nicht selbstverständlich – da muss permanent daran gearbeitet werden. Und da hat die Erwachsenenbildung eine ganz zentrale Rolle. Denn Bildung endet nicht mit dem Schulabschluss, sondern begleitet uns ein Leben lang. Gerade in einer Zeit rasanter gesellschaftlicher Veränderungen ist regelmäßige Fort- und Weiterbildung zentral.“

Grenzen der eignen Freiheit erkennen
„Jeder hat das Recht sein Leben frei zu gestalten, solange das die Freiheit des anderen nicht einschränkt,“ startete Lisa Heschl, stellvertretende Leiterin des Europäisches Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie der Universität Graz, ihr Impulsreferat. Sie appellierte an die VertreterInnen der Erwachsenenbildung, immer wieder bewusst zu machen, dass die Menschenrechte die eigene Lebensrealität schützen und auch die anderer. Und genau hier orte sie momentan viel Egoismus: „Jeder will zwar seine Rechte geschützt sehen, es ist in jüngster Zeit aber weitgehend die Akzeptanz dafür verloren gegangen, dass die Menschenrechte auch die Lebenswelten anderer zu schützen haben. Hier braucht es also Bewusstsein und Konsens dahingehend, dass jeder das gleiche Recht auf Menschenrechte hat.“ Der Erwachsenenbildung schrieb Heschl hier eine Schlüsselrolle zu: „Sie bewegt und befähigt uns, aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben, unsere persönliche Freiheit zu gestalten und die Freiheit anderer zu akzeptieren. Ein wichtiges Ziel sehe ich darin, Verständnis dafür zu entwickeln, dass die Erwachsenenbildung zur persönlichen Freiheit beiträgt.“
Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark sieht die Menschenrechte heute mehr denn je in Gefahr: „Es fehlt an Empathie. Wir haben verlernt, aufeinander zu schauen. Deshalb sind Bildung und Weiterbildung von größter Bedeutung für unser Zusammenleben und unsere Demokratie. Wir dürfen keinesfalls dem Trugschluss unterliegen, dass es reicht, sämtliche Informationen aus dem Internet und über soziale Medien beziehen zu können – im Gegenteil. Gerade in Zeiten von Fake News braucht es die Kompetenz einordnen, verstehen und reflektieren zu können. Unsere Welt ist viel zu komplex, um alle Informationen fassen und bewerten zu können. Darum ist es wichtig und wohltuend, dass Menschen da sind, die uns das erklären – und zwar im persönlichen Kontakt und Austausch.“ Wichtig dabei sei, so Grabovac, dass die Erwachsenenbildung nicht nur zur Selbstoptimierung dient, sondern vor allem auch für eine allgemeine Sensibilisierung rund um Diskriminierung, Gleichstellung und Gleichbehandlung sorgt.
Viele kennen ihre Rechte und Pflichten nicht
„Viele Menschen kennen ihre Rechte und Pflichten nicht einmal“, brach auch Susanne Prisching, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft Regionalbüro Steiermark eine Lanze für laufende Weiterbildung. Denn: „Nur so ist es möglich, mit den rasanten Entwicklungen mitzugehen – persönlich und gesellschaftlich.“ Die Freiwilligkeit der Erwachsenenbildung sieht Prisching auch kritisch und stößt an, in gewissen Kontexten Weiterbildung überhaupt verpflichtend zu gestalten. Und zum Interesse für diese Themen: „Menschen müssten sich stärker bewusstwerden, dass sie morgen schon selbst Betroffene, damit Diskriminierte und ungleich Behandelte sein könnten. Um hier entgegenzuwirken und Bewusstsein zu schaffen, seien Angebote, Diskurs- und Begegnungsräume der Erwachsenenbildung von enormer Wichtigkeit.“ Sandra Holasek, Abgeordnete zum Landtag Steiermark und Vizepräsidentin des Volksbildungswerks wies im Rahmen der Diskussion untere anderem darauf hin, dass sich die Steiermark mit der Landeshauptstadt Graz als Menschenrechtsstadt besonders mit dem Thema auseinandersetzt. Dass die öffentliche Hand in einigen Bereichen der Erwachsenenbildung hier Verantwortung übernimmt, stellt sie außer Frage.
Weiterbildung schafft mündige Bürger
„Die Erwachsenenbildung bestmöglich zu unterstützen und so für mündige Bürger im Land zu sorgen – das ist demokratiepolitisch unerlässlich,“ pflichtete Alexandra Nagl, Leiterin der Abteilung Bildung und Gesellschaft des Landes Steiermark, bei. Sie appelliert dafür, die Bedeutung des lebensbegleitenden Lernens wieder bewusst zu machen, dabei besonders auf die Regionalität zu schauen und unbedingt auch ältere Menschen gut mitzunehmen. Nagl sieht die Chance der Erwachsenenbildung besonders darin, „ein Kontrapunkt zur schnellen Information und eine Alternative zu schnellen Internet-Videos zu sein – ein Zeitnehmen, Nachdenken, Vertiefen. Auch das muss verstärkt propagiert werden.“
Hannes Galter, Vorstandsvorsitzender des Bildungsnetzwerks Steiermark, leitete daraus essenzielle Aufgaben für die Erwachsenenbildung ab: „Sie muss auf die wachsenden Ungleichheiten reagieren, Barrieren abbauen – und dabei immer wieder auch die eigene Praxis reflektieren und überdenken. Sie muss sich immer wieder an die Veränderungen in der Gesellschaft und an die Bedürfnisse der Menschen anpassen. Dafür müssen Verfügbarkeit und Leistbarkeit der Angebote gewährleistet sein.“ Er wies nachdrücklich darauf hin, dass die Erwachsenenbildung der größte Bildungsbereich mit den geringsten finanziellen Ressourcen sei: „Um all ihre wichtigen Aufgaben erfüllen zu können, braucht die Erwachsenenbildung jedoch entsprechende Rahmenbedingungen – allen voran eine abgesicherte Finanzierung.“
„Die Bereitschaft, sich mit den Themen Menschenrechte, Antidiskriminierung und Gleichstellung zu beschäftigen ist in den Einrichtungen jedenfalls groß“, betonte Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks Steiermark unter Verweis auf die jüngste Basisdatenerhebung der steirischen Erwachsenenbildung. Demnach beschäftigen sich 9 von 10 der beteiligten Einrichtungen auf unterschiedlichen Ebenen mit diesem Themenbereich – sowohl innerhalb der Organisation als auch im Bildungsprogramm.
Weiterbildungsangebote zu diesem Thema finden sich am Weiterbildungsnavi Steiermark unter: http://www.erwachsenenbildung-steiermark.at/angebote


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